Es klingt doch verrückt, in ein Land zu reisen, das gleich neben dem kriegsgeplagten Jemen liegt, um die berühmten Giant Trevallies zu fangen. Nennt mich verrückt, doch genau für das entschied ich mich im Frühjahr 2023.
Zu lange war es her, dass ich das letzte Mal diesen Fischen hinterherjagte, damals noch in den Andamanen, dieses Mal im Persischen Golf Zwei Jahre lang sparte ich mühsam mit meinem Lehrlingslohn für diesen Moment. Bevor es los ging, musste ich noch unzählige Bestellungen machen, so viele, dass ich mich am Schluss entscheiden musste, was ich in meinem Koffer mitnehme und was ich dalasse, damit ich die 25 kg nicht überschreite.
Wir flogen von Zürich nach Doha (Katar). Der Flug dauerte knapp 7 Stunden. Für die Sicherheitskontrolle hatten wir nur 1h 10 Zeit, bevor es mit dem Anschlussflug weiter ging. Man muss beachten, dass wir ausserhalb des Flughafens landeten und ca. 20 Minuten mit dem Bus bis zum Flughafen transferiert wurden. Nach der Sicherheitskontrolle fuhren wir wieder 20 Minuten zum neuen Flugzeug. Keine Ahnung wie, aber wir haben es geschafft. Von Doha (Katar) ging es nun weiter nach Salalah (Oman). Der Flug dauerte knapp 2h. Nach einer kurzen Sicherheitskontrolle kamen wir um 4 Uhr am Morgens aus dem Flughafen und fuhren direkt 4h mit einem Pick Up weiter durch die Wüste. Zum Glück waren die Strassen geteert, sonst wäre es eine sehr unangenehme Fahrt geworden.
Im Camp angekommen machten wir unser Material bereit und gingen dann Schlafen. Gegen den Abend gingen wir dann noch kurz vom Strand aus ein paar Würfe machen. Die Atmosphäre war atemberaubend. Die Kulisse war wunderschön mit dem Gebirge, den Wolken und dem Meer. Bei jedem Wurf knallte irgendein Fisch drauf. Das hatte definitiv Suchtpotential. Am Abend dann, als wir im Bett lagen, fing bei mir dann das Kopfkino an zu laufen. Die Vorstellungen von den ganzen Topwater-Attacken, die knallharten Einschläge und die geballte Kraft eines 50-kg-Giant Trevally liessen mich nur schwer zum Schlafen bewegen.
Um 04.30 Uhr ging dann der Wecker los. Zum Glück hatten wir mehrere Wecker gestellt, da mein Handy sich noch nicht synchronisiert hatte und somit 2 Stunden hinterher war mit der Zeit. Um 06.30 bretterten wir dann mit 50km/h über das Meer zu den fünf Inseln, die durch den Angeltrip-Anbieter NoBoundaries so berühmt gemacht wurden, Wir haben uns nämlich aus einem bestimmten Grund für den Oman entschieden. Weltweit ist dieses Land bekannt für die grössten und schwersten GT`s. Also wenn nicht hier, wo dann sonst?
Fünf Tage lang warfen wir 9 Stunden am Tag bei 30 Grad Köder von 130 g bis 220 g für den einen Moment. Natürlich fingen wir immer mal wieder was, aber leider nicht das Ultimative. Am vierten Tag dann am Nachmittag knallte es ordentlich in der Rute. Ich setzte drei Mal den Anschlag durch, in diesem Moment gab der Fisch am anderen Ende der Leine Vollgas Richtung Riff. Mich zog es einfach mit, aber irgendwie konnte ich den Fisch noch bremsen, bevor er ins Riff gehen konnte. Nach ca. 4 Minuten war dann der 30 kg schwere und schwarze gefärbte GT im Boot. Was für ein Gefühl! Ich war überglücklich über diesen Fang, egal, ob 50kg oder nicht, die Reise und die Anstrengungen haben sich gelohnt. Am letzten Tag dann war noch der 50-kg-GT für 5 Sekunden dran. Ich hatte keine Chance, den Fisch zu stoppen, und so verlor ich den Fisch im Riff. Zum Glück verwendeten wir Einzelhaken ohne Widerhaken, so dass der Fisch auch eine Chance hatte, den Köder loszuwerden.
Was für eine Woche! Die harte Arbeit hat auch seinen Tribut bei uns gekostet. Drei zerbrochene Ruten, offene Knie, Platzwunde am Kopf und eine Knochenhautentzündung am Unterarm waren das Resultat der Woche. Was man nicht alles macht, um ein paar Fische zu fangen. Eigentlich hätten wir nach diesem Trip nochmals eine Woche Ferien gebraucht.
Die Heimreise traten wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge an. Es war schon wieder vorbei, die ganze Vorfreude, die Emotionen und Momente. Wie lange wird es wohl gehen, bis wir wieder so was erfahren dürfen? Trotz allem haben wir unvergessliche Momente erlebt, Dinge erleben dürfen und Fische fangen, wovon ein anderer das ganze Leben träumt.
Um 13:40 landete dann das Flugzeug in Zürich, und ich trat zu meiner letzten Hürde an. Meine Schwester heiratete um 16.15 standesamtlich in Aarau und ich war eingeladen.
Bericht von Severin Renggli, Vorstandsmitglied Fischerzunft Aarau